„Wenn wir alle füreinander kämpfen, können wir auch gut sein.“

Irgendein Sonntag 13 Uhr in Dortmund. Die dritte Mannschaft von Mengede 08/20 steht auf dem Kunstrasenplatz. Das Wetter ist gut und die Fans warten auf den Anpfiff.
Es gibt Bier, Bratwurst und mit ein bisschen Glück auch eine Schale Pommes.
Perfekt wenn man den Kater von gestern bekämpfen oder einfach ein bisschen Fussball gucken will. Die meisten am Platz sind Freunde, ehemalige Mitschüler. Man kennt sich also. Fotoapparate sind hier eher selten zu finden, obwohl eigentlich immer etwas passiert – Kreisliga halt. Eigentlich bereut man es sowieso nie, dass man hergekommen ist.

Da ich selbst nie Fussball gespielt habe (ist auch besser so, denn meine Skills reichen höchstens um den Ball für ein bis zwei Mal hochzuhalten) habe ich bei der Saison- abschlussfeier mit Milan gesprochen. Der spielt nämlich schon seit 20 Jahren Fussball – ein paar Jahre auch in der Kreisliga bei Mengede III.

J: Du hast lange bei Mengede III gespielt. Kannst du mir einen Einblick in das Team geben?

M: Die von einigen Schulfreunden neu gegründete Mannschaft versteht sich eher als Kollektiv, dass das Fußballspielen als ideale Chance sieht, in Kontakt zu bleiben. Spöttisch wird die Dritte deswegen auch gelegentlich als „Verein im Verein“ betitelt. Hier ist der Trainer ein ehemaliger Spieler, der durch Verletzungen ausgebremst wurde und die Spielerverträge werden vornehmlich nachts und auf Bierdeckeln unterzeichnet. Dabei steht neben dem Spaß aber auch immer der Sport im Fokus. Nur weil die professionellen Strukturen fehlen, heißt das nicht, dass hier kein guter und ambitionierter Fußball gespielt wird. Es geht immer darum, die richtige Balance zwischen Ernst und Spaß, zwischen Sport und Freundschaft, zwischen Engagement und Gleichgültigkeit, zwischen Biertrinken und Laufeinheit zu finden.

J: Das Spiel ist vorbei und es geht in die Kabine. Wie würdest du das beschreiben?

M: Es riecht nach Schweiß, schalem Bier und Zigarettenrauch – aus einer Musikbox dröhnt deutscher Schlager oder ein Rap- Klassiker – man zeigt sich gegenseitig seine Schürfwunden und diskutiert noch einmal die letzte Fehlentscheidung des Schiris.

J: Du bist erfahrener Kreisliga-Kicker und hast Sozialwissenschaften studiert. Wie würdest du Kreisliga mit diesem Background bewerten?

M: Amateurfußball ist in Deutschland eine Institution – eine eigene Subkultur. Die Gefühle, die hier so nah nebeneinanderliegen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Dabei schafft es dieser Sport, die gesellschaftlichen Grenzen aufzuschlüsseln.
Am Fußballplatz ist eigentlich jeder willkommen, unabhängig von Schicht, Herkunft und Geschlecht (und hoffentlich bald auch Sexualität). Beim Amateurfußball kannst du dich 90 Minuten so schlecht benehmen, wie du willst und hast am Ende trotzdem noch 11 Freund*innen um dich und einen Kasten Bier vor dir. Hier hast du immer Menschen, die sich für dich einsetzen, auch wenn du heute das erste Mal dabei bist.

J: Wie siehst du die Probleme abseits der Fussball-Romantik? Beispielsweise die aufgeheizte Stimmung gegenüber Unparteiischen?

M: Das stimmt. Man darf die teilweise angespannte Stimmung nicht ausklammern. Nicht ohne Grund möchte in Deutschland niemand Schiedsrichter*in in den unteren Ligen sein. Das, was hier auf und neben dem Platz geschieht, ist teilweise extrem grenzwertig. Dieser Sport polarisiert und zieht halt auch immer Chaoten an. Trotzdem habe ich beim Fußball Rassisten mit BIPoCs über deren Herkunft und Sexisten mit Queers sachlich über Gaysex reden sehen. Irgendwo ist Amateurfußball also auch inklusiv.

J: Mengede 08/20 gibt es schon über 100 Jahre. Was weißt du über den Verein?

M: Mengede 08/20 fusionierte 2001 aus den zwei Vereinen TBV Mengede 08 und DJK Mengede 1920. Daher auch der Name der etwas nach 08/15 klingt. Mengede versucht sich immer wieder in verschiedenen sozialen Bereichen zu engagieren, ist aber administrativ dabei etwa so gut aufgestellt wie ein Ortsverband der Partei DIE LINKE. Vor nicht allzu langer Zeit wurde hier mal in der Westfalenliga Fußball gespielt. Die 6. Deutsche Liga bedeutete neue Tribünen, neue Spieler und neue Strukturen. Dieser ganze Trubel ist an der dritten Mannschaft nahezu spurlos vorbeigezogen.

Text: Milan Grave & Jan Krömer, Konzeption & Bilder: Jan Krömer